Naturschutzgruppe Witten - Biologische Station e.V.      
Naturschutz im mittleren Ruhrtal

Auen-Schenkelbiene (Macropis europaea) -

Wildbiene des Jahres 2020

von Annette Schulte


Im Jahr 2020 wurde vom Kuratorium „Wildbiene des Jahres“ mit der Auen-Schenkelbiene (Macropis europaea) eine Art ausgewählt, die in Witten im Ruhrtal und verschiedenen größeren Bachtälern wie Muttenbach, Borbach oder Elbschebach regelmäßig anzutreffen ist. Hier wächst in feuchten Hochstaudenfluren ihr bevorzugter Pollenlieferant, der Gemeine Gilbweiderich (Lysimachia vulgaris).

Alle Gilbweiderich-Arten besitzen die Besonderheit, dass sie Blütenbesuchern keinen Nektar bieten, sondern aus speziellen Drüsenhaaren in den Blüten Öl absondern. Der Energiegehalt von Öl ist dabei deutlich größer als beim zuckerhaltigen Nektar. Die Weibchen der Auen-Schenkelbienen sammeln im Zeitraum Juni/Juli am Gemeinen Gilbweiderich den Futterproviant für ihre Larven daher nicht wie die anderen Wildbienen als eine Mischung von Pollen und Nektar, sondern versetzen den Pollen mit dem Öl der Pflanzen zu einem "Ölkuchen", der als kompaktes Paket an den Bürstenhaaren der Hinterbeine transportiert wird. Dabei ist die Behaarung an den Beinen filzartig dicht und verzweigt, um das Öl sicher aufnehmen zu können. Dies ist einzigartig unter unseren heimischen Arten, nur in tropischen Ländern treten Öl sammelnde Wildbienen häufiger auf.

Die erwachsenen Tiere brauchen für ihre eigene Ernährung allerdings zuckerhaltigen Nektar, den sie sich auf anderen Pflanzen suchen müssen. Die Bienen benötigen also ein insgesamt vielfältiges Blütenangebot zum Überleben. Zum Schutz der Auen-Schenkelbiene ist es deshalb erforderlich, dass die feuchten Wiesen und Hochstaudenfluren in den Bachtälern durch Mahd - wie sie die NAWIT z. B. im Kermelbachtal, Elbschebachtal und Muttental regelmäßig durchführt - vor Verbuschung bewahrt und so in ihrer Artenvielfalt erhalten werden.

Entsprechend der Hauptblütezeit des Gemeinen Gilbweiderich sind die Bienen etwa von Mitte Juni bis Anfang August zu beobachten und zwar am besten direkt an Gilbweiderich-Beständen. Dort patrouillieren die Männchen in auffälligen Schwärmflügen um die Blüten und lauern auf paarungsbereite Weibchen. Auch die Paarung selbst findet dort statt. Die Auen-Schenkelbiene ist etwa 8-10 mm groß und insgesamt sehr dunkel gefärbt, besitzt aber weiße Haarbinden am Hinterleib. Besonders auffällig sind jedoch bei den Männchen das gelbe Kopfschild und die verdickten Hinterschenkel, denen die Art ihren deutschen Namen verdankt. Bei den Weibchen sind vor allem die weißen Haarbürsten an den Hinterbeinen sehr auffällig, mit denen sie den Ölkuchen transportieren.

Ihre Nester graben die Weibchen der Auen-Schenkelbienen selbst in die Erde, an der Nutzung eines oberirdischen "Insektenhotels" haben sie kein Interesse. Der Hauptgang führt dabei zunächst schräg oder senkrecht 3-4 cm in die Tiefe, um sich dann horizontal zu verzweigen. Am Ende der 6-8 cm langen Seitengänge werden meist zwei Brutzellen angelegt. Da die Auen-Schenkelbiene feuchte Lebensräume bevorzugt, werden die Wände der Gänge und Brutzellen zunächst gründlich mit dem Gilbweiderich-Öl getränkt, um so das Eindringen von Feuchtigkeit und ein Verschimmeln der Brut zu verhindern. Jedes Nest enthält bis zu acht Brutzellen, die mit dem Ölkuchen verproviantiert werden. Das Weibchen muss dabei bis zu 8mal eine große Portion Ölkuchen sammeln, um eine Brutzelle mit ausreichend Proviant ausstatten zu können. Dann wird ein Ei auf den Ölkuchen gelegt und die Zelle verschlossen. Die kurze Zeit später schlüpfende Larve hat den so mühsam von der Mutter herbeigeschafften Ölkuchen innerhalb von nur 14 Tagen aufgegessen. Dann verpuppt sie sich und verharrt in diesem Ruhestadium, um erst im nächsten Sommer als erwachsenes Insekt sich den Weg nach draußen freizugraben.

Im eigenen Garten kann man der Art helfen, wenn man z. B. am Gartenteich den Gemeinen Gilbweiderich anpflanzt. Hat man keinen solchen Feuchtbereich zur Verfügung, so kann man mit dem Punkt-Gilbweiderich (Lysimachia punctata), einer attraktiven Gartenstaude, der Schwesternart Wald-Schenkelbiene (Macropis fulvipes) eine Freude machen. Diese ist eigentlich auf das heimische Pfennigkraut (Lysimachia nummularia) spezialisiert, nutzt aber auch gerne die ursprünglich aus Südeuropa stammende Zierpflanze als Pollen- und Öllieferant. Bei den Weibchen sind hier die Bürstenhaare an den Hinterbeinen nicht weiß, sondern mehr gelblich gefärbt. Ansonsten sehen sich die beiden Arten sehr ähnlich. Macropis fulvipes bewohnt bevorzugt lichte Waldbereiche. Durch die Nutzung des Punkt-Gilbweiderichs ist sie aber auch zunehmend in Gärten und Parks anzutreffen.