Naturschutzgruppe Witten - Biologische Station e.V.      
Naturschutz im mittleren Ruhrtal

Kraniche (Grus grus) über Witten


Der alljährliche Zug der Kraniche im Frühjahr und Herbst ist zweifellos die auffälligste Erscheinung des Vogelzuges hier in Witten. Während große Mengen an Kleinvögeln nahezu unbeachtet im Herbst in der Nacht oder früh morgens über die Ruhrstadt hinwegziehen, bleiben die großen Keilformationen der Kraniche nur selten unbeobachtet.


Kraniche sind Schmalfrontzieher, d.h. sie ziehen nicht in breiter Front über ganz Deutschland hinweg, sondern konzentrieren sich in einem ca. 200 km breiten Streifen. Da Witten in diesem Streifen liegt, haben wir das Glück, die Kraniche regelmäßig auf dem Frühjahrs- und Herbstzug hier beobachten zu können. In Regionen, die nicht innerhalb dieses Streifens liegen (z.B. Bayern) werden Kraniche nur ausnahmsweise beobachtet.


Und immer, wenn man einen Trupp Kraniche in Keilformationen über sich hinwegziehen sieht, stellt sich die Frage: Wo kommen diese Kraniche eigentlich her und wo mögen sie hinziehen? Die Fragen lassen sich beantworten, denn der Kranichzug ist mittlerweile sehr gut erforscht. Im Herbst sammeln sich die Kraniche nach der Brutzeit zu großen Schlafgemeinschaften in Ostdeutschland. Einer der größten Schlafplätze befindet sich an der mecklenburgischen Ostseeküste westlich von Rügen.


Bei ruhiger Hochdruckwetterlage starten von hier aus Anfang November "unsere Wittener Kraniche". Kraniche anderer Sammelplätze in Ostdeutschland ziehen weiter südlich durch Hessen. Die Kraniche brechen nachts von ihren Schlafplätzen in großen Gruppen auf. Häufig konzentriert sich sogar der Zug der Kraniche auf 1 bis 2 Massenzugtage, so dass tausende Kraniche nachts an der Ostseeküste gleichzeitig zum Zug in den Süden aufbrechen. Im Morgengrauen überqueren die großen Kranichtrupps die Elbe und gegen 11:00 Uhr kann man dann in Witten mit dem ersten Trupp rechnen.


Nachdem die ersten Kraniche durchgezogen sind, kommen immer mehr. An guten Zugtagen zieht dann ein Kranichtrupp nach dem anderen in der Mittagszeit hier in Witten durch, wobei einige Trupps aus mehr als 1000 Vögeln bestehen können. Gelegentlich unterbrechen die Kraniche ihren Zug und kreisen minutenlang am Himmel. Dadurch gewinnen sie an Höhe für den Flug über das Mittelgebirge und orientieren sich neu am Magnetfeld der Erde.


Zum Nachmittag hin nimmt die Zahl der ziehenden Kraniche schnell wieder ab. Die letzten ziehen aber sogar noch in der Nacht durch und sind dann nur noch anhand ihrer Rufe festzustellen. Aber wohin geht die Reise weiter, nachdem die Kraniche über Witten hinweggezogen sind? Eine Stunde später überqueren die Vögel den Rhein bei Köln und steuern die Eifel an. Erst in der Nacht erreichen die Kraniche ihr erstes Etappenziel - den Lac du Der in der französischen Champagne.


An diesem Sammelplatz konzentrieren sich im Herbst bis zu 50.000 Kraniche. Und dort haben die Kraniche ca. 24 Stunden nach ihrem Abflug bei Rügen erstmals wieder festen Boden unter den Füßen. Von der Champagne fliegen die Kraniche dann in zwei weiteren Etappen bis zu ihren Winterquartieren in der spanischen Extremadura. Einige fliegen sogar noch weiter bis nach Marokko. Wer also hofft, in Witten einmal rastende Kraniche am Boden zu sehen, wird enttäuscht werden, denn die Kraniche ziehen nonstop von Rügen nach Frankreich.


In den letzten 30 Jahren gab es nur 3 Beobachtungen von rastenden Kranichen in Witten meist bei Witterungsbedingungen (Schneeschauer etc.), die einen Weiterzug unmöglich machten. Im Frühjahr (Ende Februar/Anfang März) kehren die Kraniche wieder zurück und fliegen dann meist erst am späten Nachmittag und Abend über Witten hinweg. Für viele Naturfreunde beginnt mit der Rückkehr der Kraniche der Frühling.