Rostrote Mauerbiene (Osmia bicornis) - Insekt des Jahres 2019
von Annette Schulte
Die Rostrote Mauerbiene wurde zum Insekt des Jahres gewählt, weil jeder, der einen Garten oder einen Balkon hat, dieser Art leicht helfen kann. Die Wahl soll damit die Lebensweise von Wildbienen und ihre Bedeutung bei der Bestäubung von Nutzpflanzen einen breiterem Publikum bekannt machen. Das Insekt des Jahres wird von einem Kuratorium, dem namhafte Insektenkundler und Vertreter wissenschaftlicher Gesellschaften und Einrichtungen im deutschsprachigen Raum angehören, ausgewählt.
Die Rostrote Mauerbiene steht dabei stellvertretend für viele Insekten, vor allem auch Wildbienen, die in der ausgeräumten Agrarlandschaft kaum noch ein ausreichendes Blütenangebot zum Überleben finden und deshalb in strukturreichen Parks und Gärten inzwischen häufiger zu beobachten sind, als in der freien Landschaft. Dabei ist gerade die Rostrote Mauerbiene nicht besonders anspruchsvoll. Zum Überleben wünscht sie sich ein vielfältiges Angebot an Blütenpflanzen, an denen sie Nektar für sich selbst und Pollen als Nahrung für ihre Larven findet. Das sind idealerweise verschiedene Wildpflanzen wie Beinwell, Kleearten, Taubnesseln oder Weiden. Außerdem tragen sie zum Bestäuben von Obstbäumen und Beerensträuchern bei. Sie besucht durchaus auch die Blüten von typischen Gartenblumen wie z. B. Rosen, vorausgesetzt, es handelt sich nicht um Sorten mit gefüllten Blüten, denen die Staubblätter - und damit der Pollen - weggezüchtet wurden.
Ein vielfältiges Blütenangebot im Garten oder auf dem Balkon sichert vielen Wildbienen das Überleben. Ideen und Beispiele für eine naturnahe Gestaltung mit Wild- und Zierpflanzen finden sich dazu z. B. im Naturgarten der NAWIT. Hier ist im Frühjahr auch die Rostrote Mauerbiene, neben zahlreichen weiteren Wildbienenarten, live zu erleben. Gelegenheiten, den Garten mit seiner Pflanzen- und Tierwelt zu besichtigen und über Naturschutzfragen zu fachsimpeln finden sich unter "NaWit Naturgarten > Termine".
Die Weibchen der Rostroten Mauerbiene benötigen neben einem ausreichendem Blütenangebot zudem geeignete Hohlräume zur Nestanlage. Die Rostrote Mauerbiene bildet – wie die meisten unserer über 300 Wildbienenarten in NRW - keine Staaten mit Königin und Arbeiterin wie die Honigbiene, sondern die Weibchen versorgen ihre Brut jeweils allein. Für die Nestanlage nutzten sie vorhandene Hohlräume. Die Art ist dabei sehr flexibel: Es können Löcher in Mauern (daher der Name), in Holz, in Pflanzenstängeln aber auch im Boden sein. In Gärten werden auch Löcher in Möbeln oder am Haus genutzt. Am besten aber unterstützt man der Art mit geeigneten Insektennisthilfen. Hier gibt es inzwischen vielfältige Modelle fertig zu kaufen, man kann sie aber aus verschiedenen Materialien auch leicht selbst herstellen. Die Rostrote Mauerbiene nutzt in diesen "Insektenhotels" bevorzugt Hohlräume mit einer Öffnung von 5-7 mm Durchmesser. Die Nisthilfen sollte man an einer sonnigen und vor Regen und Wind geschützten Stelle im Garten oder auf dem Balkon installieren. Wildbienen im Allgemeinen und vor allem auch die Rostrote Mauerbiene sind sehr friedfertig, vor Stichen braucht man sich nicht zu fürchten. Man kann die Weibchen gefahrlos auch aus nächster Nähe beim Bau des Nestes und dem Eintragen von Pollen beobachten. Jedes Weibchen findet dabei – auch bei einem großen Insektenhotel – zielstrebig sein eigenes Nest anhand seiner individuellen Duftmarke.
Die Rostrote Mauerbiene gehört zu den Bienen, die schon früh im Jahr unterwegs sind. Etwa ab Mitte März kann man die ersten Männchen beim Blütenbesuch beobachten. Im April erscheinen auch die Weibchen. Die Bienen sind 8-10 (Männchen) bzw. 10-13 mm (Weibchen) groß und an der rostroten Behaarung, die der Art den deutschen Namen gab, gut zu erkennen. Sie erinnern damit ein wenig an Hummeln. Genau wie bei diesen ermöglicht das dichte Haarkleid den Tieren auch bei kühleren Frühjahrstemperaturen auf Blütenbesuch zu gehen. Im Gegensatz zu Hummeln oder auch Honigbienen transportieren Mauerbienen den Pollen nicht an den Hinterbeinen, sondern sie besitzen auf der Unterseite des Hinterleibes eine spezielle "Bauchbürste" als Sammelapparat. Außerdem haben die Weibchen auf der Stirn zwei hornartige Erhebungen, die das Einsammeln von Pollen unterstützen. Auf dieses Merkmal – das allerdings auch bei einigen weiteren Mauerbienenarten auftritt – bezieht sich der wissenschaftliche Name: lateinisch "bi" = "zwei" und "cornum" = "Horn".
Die Flugzeit erstreckt sich bis in den Juni hinein. In dieser Zeit legen die Weibchen in geeigneten Hohlräumen ihre Nester an, die bis zu 30 aus Lehm gebaute Zellen umfassen können. Je nach Platzangebot können die Zellen linear hintereinander, aber auch unregelmäßig nebeneinander angeordnet sein. In jede Zelle wird ein Ei gelegt und mit so viel Pollen verproviantiert, wie die Larve zu ihrem gesamten Wachstum benötig. Nektar wird dem Pollen dabei nur in geringem Maße beigemischt, er dient vor allem den erwachsenen Tieren als Nahrung. Zum Schluss wird auch noch der Eingang des Nestes mit Lehm dicht verschlossen. Dabei befindet sich häufig direkt hinter diesem Zugang zunächst eine leere Zelle. Dies täuscht möglichen Räubern, wie z. B. Schlupfwespen, ein vermeintlich leeres und damit uninteressantes Nest vor und schützt zudem auch die weiter hinten liegenden Larven z. B. vor Meisen, die gelegentlich versuchen, die Nester aufzupicken.
Die Larven fressen im Laufe des Sommers den Pollenvorrat auf und wandeln sich schon im August zum fertigen Insekt um. Dieses verbleibt aber den Winter über noch im Nest. Erst im nächsten Frühjahr nagen sich die Bienen durch die Lehmwände ihren Weg ins Freie und ein neuer Generationszyklus beginnt.